Immer diese Bedürfnisse… Deins oder meins?

Das kennst du bestimmt auch: Dein Gegenüber spricht dir gegenüber sehr deutlich ein Bedürfnis aus und irgendwas in dir zuckt. Oder du drückst deinem Gegenüber ein Bedürfnis aus und siehst sofort, dass das nicht wirklich gut angekommen ist.

Ja, so ist das einfach. Es gibt eine große Ungleichzeitigkeit der Leben. Meines Lebens und das meiner Mitmenschen. Ich brauche Distanz, mein Partner/Partnerin braucht Nähe. Ich brauche Action, meine Freundin/mein Freund möchte sich am liebsten für Tage einigeln. Ich will Kartoffeln, meine Kinder Nudeln. Wenn wir in Beziehungen leben – und das tun wir alle – gehört dazu das Erleben von Unterschieden und eben unterschiedlichen Bedüfnissen. Soweit stimmst du mir wahrscheinlich zu. Doch was damit dann machen?

Ist mein Bedürfnis wichtiger oder deins? Gute Frage ohne leichte Antwort. Als ich mir darüber Gedanken gemacht habe ist mir etwas aufgefallen, was viele Menschen gar nicht so gut können: Die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und im zweiten Schritt kommunizieren. Und das Kommunizieren bitte irgendwie angemessen. Was ich damit meine?

Ich erlebe es in meiner Arbeit und zugegeben auch bei mir selber immer wieder, dass der Mensch in unserer heutigen Gesellschaft sehr darauf eingerichtet ist, eher im Außen zu sein. Eher das Bedürfnis des Gegenübers wahrzunehmen und zu stillen, als das eigene. Da ist der Chef auf der Arbeit, dem man (so heißt es doch überall, oder etwa nicht?) am besten alles vom Gesicht abließt und sofort erledigt. Da ist die Partnerin die erschöpft ist und bei der man am besten schon im Vorauss weiß, was gerade eine Entlastung oder Wohltat ist. Es gibt tausend Situationen. Du kennst sicher auch welche. Da ist das Thema Erwartung natürlich ganz groß am Start. Ich erwarte unausgesprochen Dinge von mir selbst (zum Beispiel, dass ich „entspreche“) und ich erwarte unbewusst auch Dinge von Menschen in meinem Umfeld (zum Beispiel, dass sie wissen, was ich brauche). Doch statt Erwartungen zu haben und mit ihnen konfrontiert zu sein, Bedürfnisse wahrnehmen? Das haben wir nicht so gut gelernt… oder?

Um meine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen brauche ich bestimmte Dinge. Selbstemphatie, also die Fähigkeit mir selbst mitfühlend zu begegnen. Selbstwahrnehmung, also die Fähigkeit mich selbst wahrnehmen und auch beobachten zu können. Selbstwirksamkeit zu erfahren fördert, dass ich auf meine Wahrnehmungen vertrauen zu kann. Wenn ich merke ich brauche zum Beispiel Aufmunterung, spreche das aus und bekomme vom Gegenüber nur rüde und verbal eine Abfuhr erteilt, lässt mich das eher zurückzucken und ich formuliere beim nächsten mal vielleicht nicht, was ich gerade brauche. Ich möchte mir keine Abfuhr einfangen.

Doch da schließt sich ein bisschen der Kreis zum Anfang: Es gibt sie nun mal eben die Ungleichzeitigkeit. Und vielleicht konnte dein Gegenüber gerade nicht anders, als schroff zu reagieren. Nein, keine Entschuldigung, doch eine wichtige Erklärung!

So kommt Schritt zwei zum Tragen: angemessene Kommunikation! Leider passiert auch mir es immer wieder das sich in mir ein „Ich will jetzt aber…“ oder „Ich brauche jetzt – egal wie…“ breit macht. Und dann gerate ich in den Teufelskreis von „Ich bin jetzt mal wichtig“. Es gibt das Phänomen der Übersteuerung. Wenn ich zu lange nicht auf meine Bedürfnisse achte, sie wahrnehme und auch ausdrücke, immer zurückstecke, kann es passieren, dass „es“ aus mir rausplatzt wie bei einer Explosion. Und ich vergesse völlig, dass bei meinem Gegenüber auch Bedüfnisse, Gefühle, Möglichkeiten und Grenzen sind. So weit sollte es eigentlich nicht kommen.

Was ist mein Rezept? Wenn ich merke, dass ich zu sehr bei den anderen und zu wenig bei mir war, nur Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer genommen habe und alles was ich brauche, fühle, was mir wichtig ist, zurück gestellt habe, horche ich! Ich horche in mich. Ich versuche erstmal meine Gefühle wahrzunehmen. Oft ist da Sehnsucht (nach etwas oder jemandem), Angst (zu kurz zu kommen oder nicht gehört zu werden), Wut (auf mich selbst oder die anderen), Frustration (weil ich es schon wieder vermasselt habe)… Ihr merkt schon, bei Horchen geschieht Wahrnehmung. Dann geht es darum diese ganzen Gefühle auch einfach stehen zu lassen. Nicht schmälern, nicht kleinreden, nicht verleugnen. Ja, ich bin gerade bedürftig, ja ich bin gerade sauer, ja, ich fühle mich nicht gesehen, ja, ich will Aufmerksamkeit… ich will meine Ruhe, will nichts müssen, will…

Oft beruhigt sich dann schon etwas in mir. Was sich sehr gut anfühlt. Und wenn ich mich mit mir selbst besser fühle, kann ich klarer denken. Darüber nachdenken, was jetzt hilfreich wäre. Und immer wieder merke ich: Wenn ich mich dann fürsorglich um mich kümmere, mit einer Pause, Bewegung oder Meditation, kann ich auch klarer definieren, was ich ins Außen kommuniziere.

Und dann geht es nicht mehr darum, ob mein Bedürfnis oder das des Gegenübers wichtiger ist. Dann geht es oft einfach nur darum auszusprechen und mitzuteilen „Ich fühle mich gerade …“. Oder klar zu sagen „Kannst du vielleicht…? Das würde mir gut tun.“ Und manchmal kann ich auch mir selbst eingestehen, dass ich ein Bedürfnis habe und das es das auch mal auszuhalten gilt. Weil der/die andere ähnlich bedürftig ist. Und wenn es richtig gut läuft, kann man gemeinsam schauen, wie man einander gerecht werden kann.

Mein großes Fazit: Schau auf dich selbst, nimm wahr, was da ist, was du brauchst. Brauchst du es wirklich oder geht es darum dir selbst bestimmte Gefühle und Phasen zuzugestehen? Und erst dann geh in die Kommunikation. Und ja, Übung macht den Meister und zwar immer wieder.

Welche Erfahrungen hast du mir Bedürfnissen und der Kommunikation darüber gemacht?

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