Roter Faden „Selbstloyalität“ – Vorsicht: Persönlich!

Ein regnerischer Sommertag in Köln. Was gibt es Schöneres als morgens im Bett zu lümmeln und zu lesen. Ich habe heute das Buch „Würde. Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft“ von Gerald Hüther zu Ende gelesen. Es begleitet mich nun schon eine Weile. Manche Seiten oder gar Sätze habe ich mehrfach gelesen…

Zwischenzeitlich musste ich das Buch auch mal zu Seite legen, weil es mich immer so sehr ins Nachdenken brachte, dass ich andere Dinge, die dran waren, nicht mit ganzer Energie verfolgen konnte. Jetzt war der Zeitpunkt, es wieder zur Hand zu nehmen. Und wie mir heute morgen in meiner „Lümmelzeit“ bewusst wurde: das hatte seinen Grund. Ich glaube fest, dass es „den richtigen Moment“ für manche Dinge, für Begegnungen und Impulse gibt.

Mein letzter Blogartikel befasste sich mit dem roten Faden der Scannerpersönlichkeit, einer hilfreichen „Krücke“ zum Selbstverständnis des eigenen Tuns und Lebenslaufes für Menschen mit dieser besonderen Begabung. Und ich habe von meinem roten Faden erzählt, der „Umsetzung“ heißt. Das ist ein roter Faden, der sehr handfest ist und mit konkretem Handeln und Tun einhergeht. Heute morgen ist mir wieder bewusst geworden, dass Menschen (Scannerpersönlichkeiten und alle anderen) mehrere rote Fäden haben können und das diese Fäden auf unterschiedlichen Ebenen des Lebens angesiedelt sind. Und im Nachdenken darüber dachte ich daran, dass ich mit Klient*innen im Coaching auch auf unterschiedlichen Ebenen an ihrem roten Faden arbeite. Ein Fall kommt mir ins Gedächtnis, da ging es um die Vielfalt in kreativem Tun. Das war eine wichtige Erkenntnis, denn mit dem Erkennen dieses roten Fadens ging die innere Erlaubnis einher eine neue kreative Ausdrucksform zuzulassen. Und nicht zu denken „Ich muss jetzt bei den drei Formen bleiben, die ich schon habe.“. Ein anderer Fall brachte zutage, dass der rote Faden „Freiheit“ heißt. Und damit bin ich beim Kern dessen, was mir heute wichtig ist mit diesem Artikel:

Es gibt einen roten Faden, der auf einer Art Metaebene angesiedelt ist. Der wenig konkret wirkt, der scheinbar nicht an alltäglichem Handeln festgemacht wird. Wie ein Beispiel aus meinem Buch, wo es um jemanden geht, der anderen gerne etwas beibringt. Im scheinbaren Gegensatz dazu gibt es eine andere Ebene, die auch einen roten Faden in deinem Leben aufzeigen kann. Und das auch völlig unabhängig, ob du eine Scannerpersönlichkeit bist, oder nicht. Diese Ebene, die Metaebene, ist der Bereich, in dem wir – ob bewusst oder unbewusst – unserem Leben eine Grundlage geben. Da gehören auch unsere Werte hin. Das, was uns wichtig ist, wonach wir im besten Fall unser tägliches Handeln oder die großen Entscheidungen unseres Lebens ausrichten. Manche Menschen erarbeiten sich diese Werte hart, andere haben sie einfach aus sich heraus. Für die eine gibt es so etwas wie einen „zündenden Lebensmoment“ der Werte klar macht, der andere hat passende Werte scheinbar in die Wiege gelegt bekommen.

Einer meiner Grundwerte ist Selbstloyalität. Loyal nicht nur zu anderen und im Außen zu sein, sondern zu mir. Manch einer nennt das Egoismus. Das trifft es nicht ganz. Gesunder Egoismus ist sicher ein Teil davon. Wenn ich zu mir selbst loyal bin, versuche ich mindestens genauso auf mich selbst zu schauen, wie auf mein Umfeld. Mindestens so gut für mich zu sorgen, wie ich für andere Sorge. Mindestens so sehr für meine Werte einzustehen, wie für die eines sozialen Gefüges, in das ich gehöre. Mindestens so oft zu mir selbst ja zu sagen, wie zu einem anderen Menschen – meinen Kindern, meinem Partner, meinem Arbeitgeber…

Dieses Thema zieht sich durch mein Leben und hat wichtige Entscheidungen geprägt. Unbequeme Entscheidungen. Und es prägt auch mein Arbeiten. Tatsächlich ist es so, dass es mir ein Anliegen ist, Menschen zu helfen, in sich zu ruhen, mit sich im Reinen zu sein, ihren Weg, ihre Entscheidung zu finden (und ja, klar, auch in die Umsetzung zu kommen). Jedoch nicht einfach irgendein Weg, der gerade vernünftig erscheint, oder die Entscheidung, die gerade die einfachste Lösung bringt. Ich glaube, dass die beste Lösung, die beste Entscheidung und der beste Weg dich immer im Gleichgewicht und im Reinen mit dir selbst hält. Eben in Loyalität zu dir selbst! Und das hat viel mit Würde zu tun. Würde, wie sie Gerald Hüter in seinem Buch beschreibt. Ich kann dieses Buch wirklich empfehlen. Es ist sehr gut lesbar, keine Schwurbelsätze oder wissenschaftliche Klimmzüge. Verständlich, klar und einprägsam. Würde ist nicht nur etwas, was ich anderen gegenüber wahre oder als Grenze akteptiere oder zu fördern versuche. Hüters These ist, dass ich selbst würdevoll sein und handeln muss, um überhaupt die Würde anderer zu sehen, zu akzeptieren und mich dafür einzusetzen. Für mich ist Selbstloyalität der Marker, ob ich würdevoll bin oder würdelos. Ob ich meine Würde wahre oder aufgebe. Ob ich im Frieden bin oder innerlich und äußerlich unfriedlich lebe. Ob ich wirklich menschenfreundlich bin oder einfach nur „mache“ – ohne zu hinterfragen oder einer Ethik zu folgen. Würde und Selbstloyalität sind für mich untrennbar verbunden.

Meinen roten Faden Selbstloyalität (Metaebene) werde ich nun ins Außen bringen, ebenso, wie schon mein roter Faden Umsetzung (Handlungsebene) im Außen ist. 🙂

Sei dir selbst loyal – dann ist auch deine Loyalität im Außen echt!

 

ps – Warum das so persönlich ist? Ich habe meinen Job geschmissen. Seit mehr als 20 Jahren war ich als Seelsorgerin in der katholischen Kirche tätig. Lange sehr zufrieden und erfüllt. Irgendwann wurde klar, dass Loyalität im Außen – also zur Kirche, zum Arbeitgeber, zur „Lehre“ – sich nicht mehr vertrug mit der Loyalität zu mir selbst. Ich konnte nicht mehr alles gut heißen, nicht vertreten, nicht begründen und auch ehrlich gesagt, nicht mehr verkünden. Und das tun Seelsorger*innen: sie verkünden eine frohe Botschaft. Die Schönheit des persönlichen Glaubens. Kirche hat sich in eine Ecke manovriert und vertritt Positionen, hält an Dingen fest, die nicht mehr in unsere Welt passen und die meine Werte mit Füßen treten. Ich kämpfte mich ab an dem Widerspruch zwischen einer grundrichtigen jesuanischen Botschaft und dem, was die Realität der Kirche heute ist: Machtgehabe, Machtmissbrauch und festhalten an Macht und dem Recht zu definieren, was „richtig“ ist. Darüber ging der Mensch in seiner Lebensrealität verloren. Loyalität zu diesem Arbeitgeber kostete mich fast meine Selbstloyalität und deshalb bin ich gegangen. Habe einen Beruf verlassen, den ich zwar immer mehr zurückgeschraubt hatte, um meiner Coaching- und Seminartätigkeit nachzugehen, der jedoch einen ganz besonderen Wert in meinem Leben hatte. Schmerz gehörte zu diesem Schritt. Trauer begleitete die Phase der Loslösung. Und doch war der Preis nicht zu hoch, den ich für meine Selbstloyalität gezahlt habe. Im Gegenteil, ich weiß jetzt: ich war es wert!

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