Ich habe gerade Postings für SocialMedia vorbereitet und einen kurzen Text über Ghosting verfasst. Und sofort bin ich voll von Erinnerungen. Denn ich habe eine eigene Erfahrung geschildert. Zweimal habe ich Ghosting erleben müssen. Zwei Freundschaften sind zu Ende gegangen und wurden nicht bewusst beendet. Die erste Erfahrung – da muss ich ehrlich sein – war schmerzhaft, doch trug sie nicht in allen Zügen die Merkmale des klassischen Ghosting.
Die sind: plötzlicher und unerwarteter Rückzug den Gegenübers, völliges Schweigen oder „Totstellen“, keine Reaktionen auf Kontaktaufnahmen, keine Ankündigung des Rückzugs, Offenlassen der Beweggründe. Es ist, als hätte diese Person nie existiert und somit auch nicht die Freundschaft oder Beziehung, die gemeinsame Geschichte, alle Erfahrungen und Erlebnisse, die Verbundenheit, innere Nähe oder gar Liebe.
Für Menschen die geghostet werden ist es eine unglaublich schmerzhafte Erfahrung. In diesen Tagen ist es ein Jahr her, dass ich für mich gegriff, dass ich nicht mehr beachtet werde, keiner Antwort wert bin und eine tiefe Freundschaft und berufliche Verbindung mit Füßen getreten wird. Mein Herz versteht bis heute nicht, mein Kopf hat einen Namen dafür: Ghosting. Es ging schleichend los. Es gab Probleme, ja. Oder eher eine Schwierigkeit, einen wirklich komplizierten und schwierigen Umstand. Doch nichts, was sich nicht lösen lies. Erst wurde ich vertröstet. Heute weiß ich, dass die letzte Begegnung nur in Teilen aufrichtig war. Ich wurde gefüttert. Und wenige Wochen später völlig fallen gelassen. Keine Reaktionen auf Textnachrichten, Anrufe, Sprachnachrichten oder Emails. Als würde ich nicht existieren oder eben das Gegenüber. GHOSTING. Ehrlich gesagt, wusste ich bis vor einem Jahr nicht mal, was das ist, oder hätte das Wort gekannt. Weihnachten stand vor der Tür. Ich machte mit einer sehr persönlichen Weihnachtskarte noch einen Anlauf. Nichts. Der Schmerz saß so tief und auch jetzt, wo ich diese Erfahrung nocheinmal hervorhole, zieht es in mir. Denn Trauer braucht ihre Schleifen und es tut immer mal wieder etwas weh. Irgendwann konnte ich meine Gefühle so erklären: Es ist, als stirbt jemand und du hast keine Chance mehr zu reden, Dinge auszudrücken oder etwas zu verstehen. In diesem Fall vor allem das Verstehen. Stell dir vor, du streitest mit einem lieben Menschen und der hat kurz drauf einen Unfall und kommt nicht mehr zurück. Alles ist offen. Fragen quälen ohne Ende. Deine Gefühle laufen ins Leere. Du bekommst keine Antworten und auch keinen Hinweis, ob all das, was war, eine Bedeutung hatte. Vertrautheit, gegenseitige Unterstützung, gemeinsame Urlaube, tiefe Gespräch über das Leben, die Welt… alles was eine echte, tiefe Beziehung ausmacht. Freundschaft pur.
Ich bin ehrlich: Ich brauchte Unterstützung. Alleine kam ich über diesen Verlust und diesem Dolchstoß nicht hinweg. Ein Zeitpunkt zu dem ich – wieder einmal – dankbar war, dass ich großartige Coaching-Kolleg:innen um mich habe, an die ich mich voll Vertrauen wenden konnte. Die mir halfen, wieder in meine innere Balance zu kommen. Ghosting ist nichts, was man alleine bewältigen muss oder sollte. Große Verluste im Leben, durch Tod, Scheitern, Verlassen werden, unerwartete Veränderungen dürfen wir vertrauensvoll begleiten lassen.
In der Psychologie ist bekannt, welch tiefe innere Folgen Ghosting haben kann. Beim Verlassenen und bei dem, der ghostet. Denn wer sich so aus Beziehungen oder Verbindungen unterschiedlicher Art zurückzieht, kann sich nicht „normal“ aus Beziehungen lösen. Hat keine Verarbeitungsmuster oder selbst so schlechte Erfahrungen, dass er oder sie kopiert, was selbst erlebt wurde. Für die Verlassenen beschreibt der Neurologe und Psychologe Michael Linden die „posttraumatische Verbitterungsstörung“. Es handelt sich dabei um eine psychische Reaktion auf Lebenssituationen, mit denen man nicht fertig wird. Das kann also auch bei Ghosting passieren. Betroffene erfahren – bei wiederholten Versuchen der Kontaktaufnahme die immer unbeantwortet bleiben – immer wieder Verletzung, Vernachlässigung, psychischen Schmerz. Doch nicht alle Ghostingopfer leiden länger als 6 Monate in massiver Form (mit Rachegefühlen, beständiger Wut etc). Das ist der Zeitraum für eine pathologische Diagnose nach ICD. Doch Anpassungstörungen sind durchaus normal. Dann setzt im Verlauf nach dem Ereignis die Verarbeitung ein und das Empfinden lässt nach. So wie bei mir: meist denke ich heute nicht mehr an diese Person. Konnte annehmen was passiert ist und beziehe es nicht auf mich. Ich habe keine Wut mehr, sondern ab und zu – wie bei Schreiben dieses Artikels – bin ich eher traurig, dass diese Freundschaft so enden musste. Und lasse die Verantwortung dort, wo sie hingehört: beim Gegenüber.
Ghosting ist eine üble Geschichte. Kennst du das? Hast du selbst etwas ähnliches schon erlebt?
Es heißt oft: Ghosting gehört in die Dating-Szene. Ja, doch längst nicht mehr ausschließlich. Immer öfter werden Feundschaften und intensive Beziehungen auf diese unvollkommene und schmerzhafte Art beendet. Wenn du betroffen bist: Mach das nicht mit dir alleine aus! Und: Suche die Schuld, den Auslöser nicht bei dir. Wer geghostet wird, hat daran keine Schuld. Der oder die Ghoster können Beziehungen nicht sauber beenden und haben in der Regel tiefliegende Probleme, die sie während der Beziehung gekonnt verbergen.
Du kannst dich damit an Therapeuten oder auch an gut ausgebildete Coaches wenden. Schreib mir gerne, wenn du merkst, dass dich eine solche Trennung verfolgt.
Liebe Grüße deine Annette – ich begleite das Leben.
Emotionscoach & Autorin