Da ich gerade mehr oder weniger das Bett hüten soll – ich mag es gar nicht äußerlich in Bewegungslosigkeit gezwungen zu werden – wende ich mich mit diesem Blogartikel einem Thema zu, mit dem ich mich eh sehr intensiv beschäftige. Scanner. Wenn man heute dieses Wort in die große Suchmaschine eingibt, hat man – dank eines hervoragenden Rangings einer hochfrequentierten Akademie – sofort Scanner Persönlichkeit auf dem Schirm. Und kann sich dann auch schon dem Kern des ganzen nähern. Denn es geht nicht um das elektronische Gerät zum „umwanden“ eines Papiers oder Bildes in eine Datei (oh Gott, davon habe ich wirklich keine Ahnung 😉 ). Dennoch hat Barbara Sher diesen Begriff gewählt als sie in den 1990ger Jahren eine Beobachtung machte und für eine bestimmte Menschengruppe einen Namen suchte. Sie wählte dieses Wort, weil (frei übersetzt) wir #Scanner (ja, das ist der Bekennermoment!) im Gegenteil zum Erkunden und Eindringen in die Tiefen EINES Interesses, Wissensgebietes… (oft auf Lebenszeit), den Horizont der vielen Möglichkeiten, Themen, Bereiche… scannen und erkunden.
Den Horizont scannen ist ein wunderbares Bild, das sehr gut erklären kann, wie es uns Scannern geht. Wer am Meer steht und auf den Horizont blickt (wahlweise auf einem Berggipfel oder in der Wüste…) hat dieses Gefühl von Ewigkeit und endloser Weite. Diese endlose Weite spüren wir immer wieder in unserem Wissensdurst und unserem schier ewigandauernden Entdeckerdrang.
So sind meiner Meinung nach zwei Dinge grundlegend für diese Art des Denkens: Freude am Lernen, am Entdecken, an Neuem und im Gegenzug ein sehr ausgeprägtes Verhältnis zur Langeweile. Wir wenden uns immer gerne (ja, gerne!!!) neuen Dingen zu. Abschiedsschmerz kann bei mir zum Beispiel sehr sehr ausgeprägt sein, aber auf der anderen Seite wartet um die Ecke schon die nächste Überraschung und ich kann Themen, Hobbies, Interessen gut loslassen. Dann habe ich endlich Zeit, um mich dem nächsten zuzuwenden. Das war nicht immer so.
Eine Art Bürde, mit denen Scanner immer zu kämpfen haben ist die Tatsache, dass unsere Gesellschaft sich zu einer absoluten Experten-Gesellschaft und trotz ständig geforderter Flexibilität oder Mobilität, zu einer Gesellschaft der Festlegungen und der Urteile entwickelt hat. Ständig die Interessen zu wechseln ist nicht anerkannt. Bekommt ein „negatives Urteil“. Unbeständigkeit, der Mangel sich durchzubeißen“, Nichtskönner bis hin zu Interessenlosigkeit sind die Merkmale, mit denen unsereins beschrieben wird. Manchmal kommt auch faul hinzu, denn wir haben nicht das Gefühl, dass unsere Entdeckungen anstrengend sind. Uns macht so viel einfach nur Spaß. Ja, und Spaß haben – ohhhhlala, nein, etwas muss doch anstrengend sein, uns ganz fordern, mit Schweiß auf der Stirn und schlaflosen Nächten. Scanner haben Schweiß auf der Stirn, wenn sie sich nicht neuorientieren können oder dürfen, schlafen schlecht vor Unterforderung, wenn ihr wacher und kreativer Geist keine Beschäftigung erfährt.
Ja, es gibt sie wirklich! Was ich immer wieder erlebe ist das vorurteilsbeladene „aber wir sind ja alle irgendwie interessiert und vielseitig“ oder „Ich interessiere mich auch für verschiedene Sachen, deshalb sind doch jetzt nicht alle Scanner“. Stimmt. Es geht auch, wie bei allen Begabungen, um ein mehr. Deshalb gefällt mir der Begriff der Vielbegabung für Scannerpersönlichkeiten sehr gut. Nur weil wir alle die Schule geschafft, einen Beruf erlernt, lesen, schreiben, ein Instrument spielen, eine Fremdsprache … können, sind wir ja auch nicht alle gleich Hochbegabt. Aber auch dort gibt es dieses mehr. Und weil im Bereich Hochbegabung mittlerweile viel geforscht wurde und wird, zweifelt auch kaum jemand.
Ich habe schon mit einigen Scannern gearbeitet und muss sagen: sie sind auch im Coaching „schnell“ unterwegs. Sind umsetzungsstark und haben einen kreativ geprägten Willen, das Erfahrene und erhaltene Impulse etc aus Coachings für sich anzuwenden. Einzubauen. Zu integrieren in den Alltag, damit dieser eine positive Entwicklung erfährt. Im Denken oder im konkreten Tun. Leider (nur aus Unternehmersicht 😉 )habe ich schon mehrfach erfahren müssen, dass Scanner nach ein bis zwei Coachingsitzungen mit ihrem Thema durch sind. Sie sind zufrieden. Sie haben eine Antwort und gehen wieder in ihre Welt des Denkens. Ich kenne das ja selber. EIN Impuls löst eine Flut an Möglichkeiten, Ideen und Variationen aus. Dann will ich sortieren und schauen, mit welcher Möglichkeit ich die Reise weiter plane oder welcher Idee ich konkretere Formen gebe.
Ja, es gibt sie wirklich! Auch wenn ich weiß, dass nicht-Scannern immer wieder Gegenargumente einfallen und nicht wenige Zweifler doch nur den neuesten Modetrend sehen. Wie war es mit der Achtsamkeit? Ja, sie wurde wirklich zum Trend, jeder hat versucht auf den Zug aufzuspringen. Aber deshalb gibt es ja dennoch den Kern der alten Tradition und Lehre. Jahrtausende alt und wirksam! Lebensverändernd für viele, die sich einlassen – übrigens auch für Scanner 😉
Ja, es gibt sie wirklich! Auch wenn mir durchaus bewusst ist, dass es hier oft Vermischungen und unsaubere Herangehensweisen gibt. In Scanner-Foren oder Gruppen tummeln sich oft Menschen, die wirkliche Lebensprobleme haben und eine schnelle Antwort suchen, damit sie nicht auf das Eigentliche schauen müssen. Ja. Wird es immer wieder geben. Gibt es auch in vielen anderen Bereichen: Ernährungs-Trends, Selbsthilfe-Ansätzen etc. ABER Scanner-Denken und Scanner-Fühlen ist kein Trend und keine Form der Selbsthilfetechnik. Hier hat jemand eine Beobachtung gemacht und Erkenntnisse daraus gezogen. Das war Barbara Sher, die selbst eine Scannerin ist. Und noch ist diese Erkenntnis neu. Und nein, es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen und keine Vorlesungen dazu und auch keine Professur in Scannerpsychologie. Kommt vielleicht noch.
Dieser Blog widmet sich allem rund um Coaching, Achtsamkeit und ja – jetzt auch der Vielbegabung. Weil sich für mich hier Kreise schließen. In meiner Person und thematisch. Denn ich bin der Coach für Vielbegabte und Achtsamkeitstrainerin. Und beides macht mir Spaß. Und ich brenne auch noch für andere Dinge… habe schon viel ausprobiert, erkundet und verabschiedet. Und seit ich mich als Scanner, als Multitalent und als Vielbegabte akzeptiere und diese Aktzeptanz in meinem Leben wirksam ist, ist der Horizont noch schöner, noch weiter und das Leben noch reicher.
Schreib mir gerne, kommentiere, sag mir deine Meinung!
Du fragst dich ob du ein Scanner bist? Du brauchst Unterstützung? Du siehst vor lauter Bäumen den Wald nicht? Du musst dich, deine Ideen, deine Projekte, deine Prioritäten etc sortieren? Genau das können wir im Coaching anschauen.
Und weil es so schön ist, hier noch ein Blogtipp. Noch neu, aber verheißungsvoll:
Claire Oberwinters neuer Blog coloful me. Viel Spaß!
Liebe Annette,
herzlichen Dank für Deinen wertvollen Beitrag – auch wenn er mehr oder weniger erzwungen geschrieben wurde 😉
Ich finde es auch immer wieder faszinierend, wenn man anderen Menschen Scanner oder auch Hochsensibilität erklären möchte und diese Schublade dann für alle Menschen pauschalisiert oder in Anspruch genommen wird. Es gibt einfach Menschen, die mit ihrem Dasein Herausforderungen gegenüberstehen, die andere nicht verstehen können – auch wenn sie es ansatzweise versuchen oder denken, sie wären auch multipassioniert oder hochsensibel oder hochbegabt oder was auch immer.
Da zieht dann wohl der Hillary-Tenzing-Effekt (für mich ein ganz wunderbares Bild):
http://begabt-sensibel.blogspot.de/2015/08/der-hillary-tenzing-effekt-sozialer.html
Ich glaube, wenn Menschen das Scannertum verharmlosen ist, dass sie die Probleme dieser Menschen entweder nicht sehen möchten oder auch einfach nicht sehen können (Nebenprodukt des oben beschriebenen Hillary-Tenzing-Effekts). Ein weiterer Effekt ist, dass sich die unverstandenen Scanner noch einsamer fühlen und ihr Selbstwert weiter nach unten fällt. Deshalb finde ich deinen Beitrag zu diesem Thema so unglaublich wertvoll!
Ich wünsche dir weiterhin alles Liebe & Gute – und vor allen Dingen Gesundheit und dass du bald wieder in die Bewegungsfreude einsteigen darfst!
Liebe Grüße,
eine Multipassionierte
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Danke für den Kommentar. Ja, ich stimme dir zu, was das Unverständnis angeht. Und es ist mir ein großes Anliegen, hier für mehr Aufklärung zu sorgen 😉
Liebe Grüße
Annette
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