„Wünsche einer Person, die du nicht magst etwas Gutes“ – diese Aufforderung meiner Achtsamkeitsapp könnte auch mal den Ex-Partner meinen. Jeder geht aus einer Beziehung mit Altlasten heraus. Der innere (unbewußte) Prozess der Übertragung geht schnell. Wie ein Ungeheuer, das Schrecken und Angst verbreitet schleichen sich alte Erlebnisse und Verletzungen in die neue Beziehung. Was wie der Himmel auf Erden beginnt, wird vielleicht zur neuen Hölle/Ödland und es kommt erneut zur Trennung.
Bloß: ich trenne mich dann nicht vom aktuellen Partner, sondern von einem früheren Partner und der alten Partnerschaft. Weil das Neue keine Chance hat.
Dem Neuen, dem neuen Menschen und der neuen Beziehung eine Chance geben, kann mit Achtsamkeit gelingen. „Wünsche einer Person, die du nicht magst etwas Gutes“. Es gab eine Zeit, da wünschte ich meinem Ex-Mann in Gedanken etwas Gutes. Nicht weil ich ihn im eigentlichen Sinn nicht mochte. War ich doch viele Jahre mit ihm verheiratet und in dieser Zeit war nicht alles schlecht! Aber wer sich trennt trägt die Erfahrung in sich, dass etwas nicht mehr zusammenpasst und dass das gemeinsame Leben nicht mehr funktioniert. Es entstehen Verletzungen auf beiden Seiten, es werden Wünsche / Träume /Erwartungen nicht erfüllt, nicht wahrgenommen, übergangen. Das eigene Selbst fühlt sich zurückgesetzt und von einem anderen Ich überlagert, dass mit Negativem überlagert wird.
Es hat mit gut getan, diesen Gedanken zuzulassen. Etwas Gutes zu wünschen. Es hat etwas verändert. Versuch es selber mal, z.B. mit einem ungeliebten Kollegen! Es verändert unseren Blick auf den anderen und unser Umgehen mit ihm. WIR werden sanfter, friedvoller.
Dankbarkeit üben it etwas, dass ich mit der Lehre der Achtsamkeit für mich als Lebensritual angenommen habe. Zu sehen, was mich am Abend dankbar sein lässt definierte REICHTUM ganz neu! In einer Situation des Scheiterns bleibt oft nur der negative Blick übrig. Die Erinnerung ist begrenzt auf die unschönen, verletzenden Dinge. Langsam zu lernen, wieder die guten Dinge anerkennen zu können, die es ja AUCH gab, kann versöhnlicher machen.
Beziehungsfrieden beginnt mit der Versöhnung mit unseren Altlasten. Oft merkt man es schon in der Sprache. In Sätzen, die bei achtsamem Zuhören zeigen: Da ist ein Satz hinterm Satz! Eine versteckte Botschaft. Eine versteckte Wahrheit. Beides meist ohne Absicht und Bewußtsein gesprochen. Achtsames Hören und achtsames Sprechen. Sind wir erst im Kreislauf der ständigen Auseinandersetzung, des immer währenden Streits, der Vorwürfe oder des Schweigens, hören wir nichts mehr. Dann kann ich weder aufnehmen, was der andere sagt, ohne das Gehörte zu werten, noch kann ich offen sprechen in der Sicherheit, der andere hört nur zu ,ohne zu hinterfragen oder zu rechtfertigen. Achtsames sprechen und achtsames hören! Hier kommt Gewahrwerden ins Spiel!
Gewahrwerden bedeutet: Wahrnehmen was bei mir ist. Meine Gefühle, Gedanken bemerken und zulassen udn sie nicht in (eine der alten) Schubladen stecken! An dieser Schnittstelle kann Verarbeitung einsetzen! Ist das, was ich unbewusst in eine Aussage – oder auch eine Handlung oder Verhaltensweise – hinein interpretiere (übrigens ein automatischer Vorgang), wirklich wahr? Kann ich mir sicher sein, dass wahr ist, was ich interpretiere? Die Frage „ist das wirklich wahr“ entstammt der Methode „The Work“ von Byron Katie. Für MICH ist es in diesem Moment WAHR. Wenn ich mir wertfrei meiner inneren Reaktionen bewußt werde, habe ich die Chance, einen Schritt zurück zu treten. Ist meine Wirklichkeit gerade die des anderen? Das berühmte „das habe ich doch so nicht gemeint!“ in Diskussionen, kennt jeder, oder? Ist das was für mich wahr ist auch für den anderen in dieser Form wahr?
Hier kann Achtsamkeit eine Tür zum Verständnis meiner Reaktionen sein. Die vielleicht wenig mit der aktuellen Situation mit meinem Partner zu tun haben, sondern auf meiner persönlichen Wirklichkeit, begründet auf alten Erfahrungen und Verletzungen, fußen. Wir können die Vergangenheit nicht umkehren oder tilgen. Aber wir können unseren Blick darauf verändern. Und so neuen Partnerschaften die Chance für ihre eigene ganz neue „Wirklichkeit“ geben. Und den Weg der Verabeitung und des loslassens des Alten kann ich auch aufnehmen, wenn ich mich bereits auf eine neue Beziehung eingelassen habe!