Im Achtsamkeitsblog über einen Film schreiben? Warum nicht! Dachte ich mir eben, als ich aus dem Kino kam. Ich war im Kinofilm „Ich bin dann mal weg“ nach dem gleichnamigen Buch von Hape Kerkeling. Ja, das habe ich damals auch gelesen. Und seit ich es gelesen habe, hängt in meiner Küche ein Zettel auf dem steht: öffne dein Herz und knutsche den Tag! Eine der Erkenntnisse des Tages, die Hape auf seinem Fußmarsch als Pilger jeden – oder fast jeden – Tag notiert hat.
Ich sage es gleich vorneweg: der Film ist nett, unterhält gut, Martina Gedeck (wie immer) gefällt und Devid Striesow hat seine Sache wirklich gut gemacht. Die Landschaftsbilder sind teilweise sehr beeindruckend. Man bekommt eine Ahnung, wie schon alleine die Natur dem Pilger ihre ganz eigenen Botschaften ins Ohr flüstert! Humorvoll ist er natürlich auch, der Film. Wie es auch das Buch war. Und hier und da blitzt diese Tiefe auf, die ich mir persönlich etwas öfter gewünscht hätte. ABER – ruhig anschauen! Läuft sicher noch eine Weile.
Warum schreibe ich aber hier darüber? Was hat denn dieser Pilgerfilm mit Achtsamkeit zu tun? Ich glaube, Bewegung hat etwas mit Achtsamkeit zu tun. Viele Herangehensweisen und Übungen in der achtsamen Praxis, fordern den Einzelnen auf, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Sich selbst Aufmerksamkeit zu schenken. Mit sich alleine zusein. Zu sich zu finden, um dann gelassen, freier, „leichter“ im Alltag, im Leben zu sein. Ähnlich wie Pilgern! Ich war im letzten Jahr bei einem Wanderretreat mit vielen Menschen die mehr oder weniger in Achtsamkeit und Meditation geübt waren, einem großartigen Wanderführer (der sehr achtsam war) und einem wunderbaren monastischen Begleiter, einem buddhistischen Mönch. In Bewegung zu kommen, loszulaufen, sich dem Weg überlassen – es setzt IMMER auch unser Innenleben in Bewegung. Es gibt eine schöne Stelle im Film, als Hape sich mal wieder fragt, was er da eigentlich mache und feststellt, dass in seinem Kopf ein Haufen Mist ist. Tausend unzusammenhängende Gedanken! Ja, genauso ist es. Und übers immer weiter gehen, auch wenn die Waden ziehen oder die Oberschenkel, das Knie weh tut… sich diesen Gedanken zu überlassen und sie einfach da sein zu lassen ist eine wichtige Erfahrung. Irgendwann trennt sich die Spreu vom Weizen. Dann kommen Erkenntnisse, neue Gedanken. Oder es kehrt innere Stille ein. Auch eine ganz besondere Erfahrung.
Ich habe mich auch mal an den Jakobsweg gewagt. Ich bin ein kleines Stück hier im Rheinland mit dem Rad unterwegs gewesen. Das war toll. Zwei mal, jeweils mit kleinen Gruppen. Menschen, die mir vertraut waren. Dann wollte ich zu Fuß los. Alleine. Von Köln. Und in jedem Jahr ein kleines Stück weiter. Ich hatte doch mein Leben lang Zeit, oder? Ich habe nach 3 Tagen aufgegeben. Mich danach mehrere Tage verkrochen. Eine wahrhafte Erfahrung von Scheitern. In der sich andere ähnliche Erfahrungen der Vergangenheit gespiegelt haben. In Bewegung kommen ist spannend und wertvoll und bringt nicht nur kilometermäßig weiter. Er fasziniert mich immer noch, der Camino. Und ich habe Respekt davor. Aber heute am Ende des Filmes dachte ich: es gibt viele solche Wege. Sie heißen nicht Camino. Ich bin dann kein Pilger. Und doch sind es Wege die eine innere Veränderung bewirken. Wichtig ist, in Bewegung zu kommen. Und achtsam mit sich selbst zu sein. Und es zu üben. Mein achtsamer Weg ist ein Weg, der mich beständig in angenehmer Bewegung hält. Immer wieder mache ich mir aufs neue bestimmte Dinge bewußt. Immer wieder fange ich mit Übungen von vorne an. So wie der Pilger jeden Tag seine Schuhe aufs neue schnürt, den Stab schnappt und losgeht. An manchen Tagen leichtfüßig und hochmotiviert. An anderen nur mit sehr viel Mühle. Und manchmal wird die Rast zur Pause, weil der Körper Ruhe braucht…
Es gibt viele Wege nicht „auf der Stelle“ stehen zu bleiben. Achtsamkeit ist einer, Pilgern ist einer. Was ist deiner? Oder ist gerade eine Zeit die stillstehen muss? Dann achte auf den Moment, in dem sich alles wieder in Bewegung setzt.
Vielleicht ja ein Impuls zum Jahreswechsel. Es gibt so viele davon 🙂 Es passiert ja eigentlich nicht viel. Ein Datum ändert sich. Aber die Kulturen und Völker haben am Wechsel der Zeiten und der Jahre immer wieder Halt gemacht, Inne gehalten. Vielleicht wie ein Pilger, der bei einem grandiosen Ausblick stehen bleibt und sich aufstützt und schaut. Einfach nur schaut. Und vielleicht Dankbarkeit spürt. Inne halten und dann wieder in Bewegung kommen! Das wünsche ich meinen Lesern für das neue Jahr. In diesem Sinne: auf geht´s 🙂
Ich habe Autogenes Training und Qi Gong probiert. Ist mir zu langsam und zu ruhig. Man sagte mir, typisch für Männer sei es quer über die schwäbische Alb mit dem Fahrrad zu fahren, bis man total körperlich fertig ist und dann entspannt. Im Fitnesstudio mache ich alle möglichen 1Std. Kurse. DeepWork, Body Challange usw. Danach bin ich meistens erschöpft. In meinem Körper stellt sich eine schwere und Ruhe ein. Nach dem Kurs fühle ich mich entspannter als vor dem Kurs. Ohne dem körperlich verausgaben, käme ich garnicht so weit runter. Das ist vielleicht auch ein Geheimnis des Pilgerns. Gleichzeitig ist der Ausstieg auf Zeit: Jakobsweg, gesellschaftlich super anerkannt.
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Hallo Ralf, danke für deinen Kommentar. Ja, mit dem Verausgaben liegst du richtig. Mittlerweile wissen wir ja auch genug über die biochemischen Vorgänge, über Ausschüttung von Hormone etc – und da bewirkt Sport / Bewegung /Auspowern sehr viel. Beim Pilgern kommt aber auch noch eine Art „Auspowern“ auf der Metaebene hinzu… inneres Schweißtreiben 😉
LG
Annette, Achtsamkeitscoach
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