Sitzen in Stille – Wenn die Stille um mich laut wird
In meiner Anleitung zur Sitzmeditation sagt der Sprecher an einer Stelle „sitzen in Stille“ und dann ist auch STILLE. Oft, sehr oft sitze ich und die Stille ist auf wunderbare Art greifbar. Sie umgibt mich und öffnet meinen Geist. Mystisch – spirituell – ein Geschehen, dass sich auf einer inneren Ebene des Gewahrseins abspielt.
ABER. Es gibt auch die anderen Tage. Dann löst die Stille ganz andere Dinge aus. Was ist, wenn die Stille LAUT wird? Ich glaube fest, das jeder Übende in Meditation und Achtsamkeit diese Momente kennt. Der Kopf ist einfach übervoll. Oder das Herz. Oder beides. Und all die inneren oder auch äußeren Aufforderungen (durch mich selbst oder den Leiter der jeweiligen Meditation) helfen nichts. Kein „Denken, denken“, keine Vorstellung von Wolken, mit denen meine Gedanken oder die Inhalte dahin ziehen und ich die Stille zulassen kann. So oft gelingt gerade das Wolkenspiel. In Gedanken kann ich dann das Thema, den Menschen, die Idee oder Befürchtung im inneren Bild auf eine Wolke setzen und ziehen lassen. Und ihr mit einem inneren Lächeln hinterher schauen und mich der wohltuenden und Raum-gebenden Stille überlassen. Wenn es aber nicht gelingt und die Gedankenbilder stärker sind, als die Wolken… wird Stille so laut, dass ich die inneren Stimmen nicht überhören kann. Und dann?
Annehmen und Abgeben. Mit dem Einatem annehmen, mit dem Ausatem abgeben. Es klingt so simpel. Und ist gar nicht so einfach. Aber wirksam. Eine Grundhaltung der Achtsamkeit ist das Gewahrwerden dessen, was ist. Wahrnehmen könnte man es auch nennen. Hören, spüren, fühlen – was nun eben da ist an Worten meines eigenen Innenlebens, an Empfindungen die vielleicht vage sind, oder Gefühlen. Einfach wahrnehmen. Ja, man kann dem Kind dann einen Namen geben. Verwirrung, Sorge, Wut, Fülle, Gedankenstrom… was für mich eben passt. Und dann einfach stehen lassen. Gelten lassen. Nicht weg diskutieren, wie es im Alltag so oft passiert. Nicht für tot erklären – was auch eine beliebte Disziplin ist. Oder salbungsvoll betonen… Einfach gelten lassen. Du bist das, Wut. Ihr seid da, Sorgen. Ich sehe dich/euch. Willkommen. – Es klingt etwas abgedreht. Ich soll meine Sorgen willkommen heißen? Aber ich erlebe es immer wieder: wenn ich der Sorge, der Wut, dem Ärger… mit einem Willkommen seine Existenz zugestehe, nimmt das jeweilige Gefühl ab, verlieren Stimmungen ihre Kraft. Kommt Ruhe auf. Innere Ruhe. Und die Stille schweigt ganz langsam. Auch sie wird ruhiger und kann das sein, was sie ist: ein Ort des kreativen und erfüllenden Schweigens.
Oft bin ich in solchen Momenten erst nach der Meditation wieder innerlich ruhig. Dann braucht die Seele wohl gerade die Zeit des gelten lassens, des gewahr werdens. Und was sagt mir das? Lass dir doch Zeit! Lass auch im Alltag die Dinge zu, die da sind. Auch ohne auf dem Meditationskissen zu sitzen. Nimm wahr, was ist. Wut, Trauer, Ärger, Glück, Vorfreude und entdecke die Kraft und Kreativität, die aus dem reinen Zulassen unserer Momentaufnahmen entstehen kann!
In diesem Sinne: Auf in die Stille. Und nicht vergessen: Allem ein willkommen sagen, denn, wem oder was ich freundlich begegne, der oder das, kann meiner Freundlichkeit kaum ausweichen und schenkt mir selbst ein Lächeln und wird freundlich, sanft, weich, weniger bedrohlich oder „schlimm“.
Und wer Spaß an der Stille hat oder einfach eine Erfahrung damit machen möchte UND sich gerne bewegt, sei herzlich hierzu eingeladen:
Achtsame Stadtwanderung im Mai 2016 – Themenwanderung Wasser… in Stille und achtsam unterwegs